Kurze Geschichte der Deutschen Psychoanalytischen Gesellschaft

(Regine Lockot, Juni 2011)

Zur Psychoanalysegeschichte in Berlin 1908 - 1933

Am 28.08.1908 fand die 1. Zusammenkunft der von Karl Abraham gegründeten ‚Berliner Psychoanalytischen Vereinigung’ mit Iwan Bloch, Otto Juliusburger, Magnus Hirschfeld und Heinrich Koerber statt. Im März 1910 war sie die erste Zweigvereinigung der im Anschluss an den Nürnberger Kongress zur „Pflege und Förderung der von Freud begründeten psychoanalytischen Wissenschaft“ gegründeten ‚Internationalen Psychoanalytischen Vereinigung’ (IPV), die eigene Kongresse abhielt, verschiedene Institute aufbaute und einen eigenen Verlag betrieb.

Das ‚Berliner Psychoanalytische Institut’ (BPI), wie es seit dem 20.02.1922 genannt wurde, bestand aus: Poliklinik, Lehrwesen (mit Vorlesungen, Fallseminaren, Lehr- und Kontrollanalysen), Unterrichtsausschuss, Kassenführung und Stipendienfond. Max Eitingon, als sein Direktor und Besitzer, finanzierte es mit einem Etat von 16000 RM jährlich. Bis Herbst 1928 war es in der Potsdamerstr.29 untergebracht, expandierte dann und zog in die Wichmannstr.10 um.

Max Eitingon
Max Eitingon

Auf Grund der Zunahme an "wilder Psychoanalyse" und dem Wunsch nach Respektabilität der medizinischen Zunft gegenüber, wurden 1923/24 der Zulassungsmodus für Ausbildungskandidaten, das Curriculum, und Lehr- und Kontrollanalysen sowie Abschlussprüfungen formalisiert. Die in Deutschland herrschende Kurierfreiheit ermöglichte es auch Nichtärzten, Psychoanalytiker zu werden.  
Mit der Eröffnung der ersten psychoanalytischen Poliklinik am 14.02.1920, als eine der verschiedenen Funktionen des BPI1 wurde Berlin zum institutionalisierten Modell für die Einheit von Heilen, Forschen und Lehren. Der Poliklinikausschuss bestand aus Max Eitingon, dem Mäzen, Ernst Simmel, dem Sozialpolitiker unter den Psychoanalytikern2 und Karl Abraham, dem integrativen theoretischem Zentrum und Vorsitzenden der Berliner Vereinigung. Auch „Laien“ anderer Fachrichtungen konnten eine psychoanalytische Ausbildung machen. Bis auf die Kurse zur therapeutischen Technik durften sie alle Veranstaltungen besuchen (z.B. Horkheimer, der seine Beziehung zum Geld bei Landauer erforschen wollte). Die Organisation war zentralistisch.

Als erste systematische psychoanalytische Ausbildung mit Curriculum, (incl. Lehranalyse) war Berlin in den 20iger Jahren das Zentrum der Psychoanalyse, da Kurierfreiheit bestand, Laienanalyse praktiziert wurde und Ausländer günstige finanzielle Lebensbedingungen vorfanden.

Nach dem Tod Karl Abrahams (25.12.1925), der dem BPI sein wissenschaftliches und klinisches Gepräge gegeben hatte, waren in den Jahren 1924 – 1931 Sandor Radó und Hanns Sachs die populärsten Lehrer. Anfang der 30iger Jahre hatte Siegfried Bernfeld die meisten Hörer.

Alfred Döblin, 1930
Alfred Döblin, 1930

Im April 1926 wurde die ‚Berliner Psychoanalytische Vereinigung’ in ‚Deutsche Psychoanalytische Gesellschaft’ (DPG) umbenannt, da sich auch in anderen deutschen Städten psychoanalytische Gruppen zu formieren begannen. In Frankfurt a. M bestand die ‚Südwestdeutsche Arbeitsgemeinschaft’ (Landauer, Meng) dessen Frankfurter Institut mit dem ‚Institut für Sozialforschung’ (Horkheimer und Adorno) kooperierte, eine Arbeitsgemeinschaft bestand in Leipzig (T. Benedek) und eine konstituierte sich in Hamburg (Watermann, Costa). Das Zentrum blieb Berlin. Um Mitglied der DPG zu werden, mussten sich alle Ausbildungskandidaten in Berlin mit einem Referat vorstellen.
1926 wurde in Berlin Freuds 70.Geburtstag großartig mit Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens gefeiert. Alfred Döblin war unter den Gratulanten und hielt eine vielbeachtete Laudatio: "Die menschliche Seele war schon vor Jahrhunderten, da sie von Psychologen und Ärzten verstoßen war, auf eine große Wanderschaft gegangen. .........Freud ließ sie in sein Sprechzimmer eintreten, machte die Tür hinter ihr zu und sagte :"Legen Sie ab, gnädige Frau. Ja, bitte: ziehen Sie sich aus." Ich möchte bemerken, dass die Seele bis zum heutigen Tag über diesen Anruf erschrocken an der Tür stehen geblieben ist und noch nicht mehr als den Hut abgelegt hat."

1930 waren am BPI 94 Therapeuten tätig, von denen 60 Mitglieder der IPV (insg. ca. 400) waren. Die hierarchische Machtstruktur ("der preußische Geist"), von Bernfeld (1952) als schädlich für die Psychoanalyse kritisiert, gab dem BPI ein scharfes Profil, das, exportiert durch Emigration und Flucht, weltweit seine Spuren hinterlassen hat. In Wien, London, Budapest, Den Haag, später New York (von Radó) und Chicago (Alexander), außerdem in Philadelphia, Boston, Detroit, Topeka, San Francisco und weiter in Washington D.C., Los Angeles, Seattle, Denver und New Orleans wurden Institute nach dem Berliner Vorbild gegründet.

Psychoanalyse unter nationalsozialistischer Herrschaft

Mit der nationalsozialistischen Diktatur wurde die Psychoanalyse diffamiert.
Wilhelm Reich z.B. analysierte bereits am 28.06.1932 in seinem am BPI gehaltenen Vortrag "Massenpsychologische Probleme innerhalb der Wirtschaftskrise" die Rassenideologie der Nationalsozialisten und erkannte sehr klar, welche Gefahr von ihr ausging.
Max Eitingon fragte Freud nach seiner Einschätzung der politischen Situation. Freud diskutiert drei Möglichkeiten (21.03.1933) :


1. Wenn die Psychoanalyse verboten und das Institut geschlossen würde, könne man nichts dagegen unternehmen.
2. Wenn Eitingon von der Leitung entfernt werde, aber in Berlin seinen Einfluss noch geltend machen könne, solle "ein Indifferenter wie Boehm" seinen Platz einnehmen.    
3. Falls Eitingons Einfluss wegfallen müsse, da er freiwillig oder gezwungen Berlin verlasse, wachse die Gefahr, dass "innere Gegner, wie Schultz-Hencke sich des Instituts bemächtigen und ihren Absichten dienstbar machen. Dagegen gibt es kein anderes Mittel, als dass der Vorstand der IPV das so missbrauchte Institut disqualifiziert und gewissermaßen ausschließt, bis es entsühnt werden kann. Natürlich zuerst die Warnung davor. Eine traurige Diskussion!"


Dieser dritten Möglichkeit entsprechend verhielt sich die IPV nach dem Krieg.

Am 10.05.33 wurden Freuds Bücher verbrannt. In der aggressiven Hetze gegen die Juden wurde die Psychoanalyse als Taktik der psychologischen Kriegsführung im Kampf der Rassen dargestellt. Die Psychoanalytiker hatten Angst vor Hausdurchsuchungen, Bücherbeschlagnahmungen und dem Abhören der Telefone. Während der Institutssitzungen wurden die Vorhänge zugezogen, da unangenehme Konsequenzen befürchtet wurden. Die "reichsdeutschen" Psychoanalytiker wollten sich Bedingungen schaffen, die ihnen eine Existenz unter nationalsozialistischer Herrschaft ermöglichte. Sie waren bestrebt, die psychoanalytischen Arbeitsbedingungen den politischen Bedingungen möglichst rasch in einer Art Selbstgleichschaltung anzupassen.

Die antisemitische Gesetzgebung forderte die Auflösung der DPG oder ihre Arisierung. Ein erster Versuch Felix Boehms und Carl  Müller-Braunschweigs, den Vorstand umzubilden, und damit Max Eitingon, der Jude und Ausländer war, herauszudrängen, wurde auf der Generalversammlung vom 06.05.1933 abgelehnt (8 : 15 mit 5 Enthaltungen).
Die Hörerzahl am BPI ging drastisch zurück (Dez.1931=222; Dez. 1933=39) und die Zahl der Kandidaten fiel (Herbst 1932=34; Juli 1934=18). Konstant blieb die Nachfrage nach therapeutischen Behandlungen. Boehm und Müller-Braunschweig erklärten die Psychoanalyse für eine, auch dem Nationalsozialismus nützliche thera­peutische Technik.
Linksorientierte Psychoanalytiker wie Wilhelm Reich, Otto Fenichel und Ernst Simmel  versuchten die Psychoanalyse als Weltanschauung in Gegensatz zum Nationalsozialismus zu bringen.
Am 18.11.1933 übernahmen Boehm und Müller-Braunschweig den Vorsitz der Gesellschaft; Max Eitingon verließ Berlin am 31.12.1933 und hinterließ folgende Zeilen an seinen Nachfolger.


Lieber Doktor Boehm,
Die Entwicklung der Dinge in unserer Vereinigung hat anscheinend zwangsläufig die Diskussion entschieden, die wir so lange geführt haben.
Ich hoffe, Sie werden es zumindest begreiflich finden, dass ich nun einen Schritt tue, der mir sehr schwer fällt, sind doch  die letzten 24 Jahre, deren Hauptinhalt die Arbeit für die Psychoanalyse in, mit und für unsere Gesellschaft war, wahrscheinlich der wesentliche und entscheidende Abschnitt meines Lebens.
    Ich bitte, meinen Namen aus dem Verzeichnis der Mitglieder der Deutschen Psychoanalytischen Gesellschaft zu löschen. Meinen Austritt anmeldend, drücke ich allen hiesigen Mitarbeitern, Kollegen und Freunden im Geiste die Hand, allen denen, die durch das mir so lange erwiesenen Vertrauen und durch ihre Mithilfe mir die vergangenen Berliner Jahre zu so unvergessbaren gemacht haben.
Ich wünsche jedem Einzelnen von Euch und unserer gemeinsamen Sache hier alles, alles Gute.

Ihr M. Eitingon

[Original des Briefes (PDF-Datei)]



Otto Fenichel sah die größte Gefahr für die DPG in ihrer Überanpassung an das Regime. So sei ein Bild Freuds durch ein "aktuelleres" ersetzt worden. Während der gegenwärtigen Säuberungswelle könne die DPG sich nur durch einen klaren eigenen Standpunkte und durch Widerstand schützen.

Gruppenphoto 1909 vor der Clark University
Gruppenphoto 1909 vor der Clark University. Vorne: Sigmund Freud, Granville Stanley Hall, Carl Gustav Jung. Hinten: Abraham A. Brill, Ernest Jones, Sandor Ferenczi.

Auf der Generalversammlung vom 01.12.1935 beschloss die DPG unter Mitwirkung von IPV-Präsident Ernest Jones sich nicht aufzulösen, in der IPV zu bleiben aber die jüdischen Mitglieder zum Austritt aus der DPG zu nötigen. Die DPG-Mitglieder fühlten sich gespalten: einerseits fanden sie die Änderung vernünftig, andererseits sträubte sich ihr Gefühl dagegen (Fenichel). Jones vertrat, dass die Psychoanalyse besser nur von "Gentiles" in Deutschland vertreten werden solle als überhaupt nicht.

Melanie Klein
Melanie Klein

Die Auswanderungswelle, die bereits Ende der 20iger Jahre begonnen hatte und dann zur Flucht wurde, brachte Melanie Klein und Melitta Schmideberg nach England und Franz Alexander, Jenö Hárnick, Sándor Radó, Karen Horney und Hanns Sachs in die USA. Siegfried Bernfeld, Max Eitingon, Otto Fenichel, Wilhelm Reich, Theodor Reik und Ernst Simmel  wurden aus Deutschland vertrieben (um nur die Prominentesten von den ca 100, Deutschland verlassenden Analytikern und Ausbildungskandidaten zu nennen).


Eva Rosenfeld, enge Mitarbeiterin Anna Freuds und Analysandin von Boehm sah in dem durch die Zwangslage der jüdischen Analytiker bedingten "freiwilligen" Austritt so etwas wie eine Hinrichtung, weil "ein zu hoher Grad an Masochismus involviert würde."

Karl Landauer in seiner Zeit in Amsterdam, ca. 1936
Karl Landauer in seiner Zeit in Amsterdam, ca. 1936

Aus Solidarität mit ihnen ging auch Bernhard Kamm, der die Ausübung von Psychoanalyse unter nationalsozialistischen Herrschaftsbedingungen für unmöglich hielt.

1935 lebten noch 14 Psychoanalytiker in Deutschland. Eine Kette staatlicher Eingriffe und Konzessionen der "arischen" Analytiker - “Arisierung“ des Vorstandes, Umbenennung des ‚Berliner Psychoanalytischen Instituts’3, der erzwungene Austritt der "jüdischen" Psychoanalytiker, staatliche Kontrolle über das Vereinsvermögen, über Versammlungen und die psychoanalytische Theorie/Terminologie – deformierten das BPI von außen und höhlte es von innen aus.

Während Boehm als DPG-Vorsitzender, die institutionelle Anpassung an die nationalsozialistischen Machtstrukturen vornahm, vollzog sein Stellvertreter, Müller-Braunschweig, die ideologische Selbstgleichschaltung. Lehranstalt, Poliklinik mit dem dazugehörenden Mobiliar aus Eitingons Besitz und den Räumlichkeiten wurden dem, 1936 gegründeten, alle psychotherapeutischen Richtungen einschließenden ‚Deutschen Institut für psychologische Forschung und Psychotherapie’ (DI) (dem sog. ‚Göringinstitut’, benannt nach seinem Leiter, Mathias Heinrich Göring, einem adlerianisch ausgebildeten Nervenarzt, der ein Verwandter des Reichsmarschalls, Hermann Göring, war) "leihweise" überlassen und bildeten damit das Grundgerüst dieser neuen Einrichtung.

Sigmund und Anna Freud.
Sigmund und Anna Freud.

Boehm meinte, dass ein Verbleib in der IPV unter diesen Umständen nicht mehr möglich sei. Jones, Präsident der IPV, hielt, im Einvernehmen mit Anna Freud, an der IPV-Mitgliedschaft der DPG fest.
Nach kurzer Zusammenarbeit wurde deutlich, dass Boehm seine leitende Stellung nicht behalten konnte. Müller-Braunschweig und Boehm als "erklärten Psychoanalytikern" wurden von Göring keine Ausbildungskandidaten zur Lehranalyse mehr zugewiesen.
Boehm fühlte sich der Lage nicht mehr gewachsen und äußerte Anna Freud gegenüber: "das Ärgste am Leben (in Deutschland) ist, dass einem heute schon als natürlich vorkommt, wobei sich einem voriges Jahr noch die Haare gesträubt haben.“ 4

Karl-Landauer-Gedenktafel am Sigmund-Freud-Institut in Frankfurt
Karl-Landauer-Gedenktafel am Sigmund-Freud-Institut in Frankfurt

Salomea Kempner, Mitglied des BPI, starb im Warschauer Ghetto (am 29.01.1943 an einer akuten Lungenentzündung). August Watermann wurde in Auschwitz ermordet (Oktober 1944). Clara Happel litt an schweren Depressionen und nahm sich das Leben (in New York am 16.09.1945). Karl Landauer, Gründer der Frankfurter psychoanalytischen Arbeitsgemeinschaft, verhungerte in Bergen-Belsen (Jan. 1945). Sechs Angehörige bzw. ehemals der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung Angehörende starben in Theresienstadt, einer im Getto von Lódz, Sabina Spielrein und ihre beiden Töchter wurden während der Okkupation Rostows durch die deutsche Wehrmacht erschossen (am 27.07.1942) und Rosa Walk nahm sich auf der Flucht vor den Nationalsozialisten das Leben. Sechs Mitglieder der Ungarischen Psychoanalytischen Gesellschaft und zwei ihrer Kandidaten starben während ihrer Deportation oder in Konzentrationslagern der Nationalsozialisten. Wir wissen nicht, wie viele Patienten vertrieben und ermordet wurden.

Einige Psychoanalytiker und auch ihre Patienten engagierten sich in linkspolitischen Gruppierungen.
So eine Patientin von Edith Jacobsohn, die der sozialistischen Widerstandsgruppe ,Neu Beginnen´ angehörte und von den Nationalsozialisten ermordet wurde. Mehrere Patienten von Jacobsohn, Benedek und Liebeck-Kirschner wurden verhaftet, weil sie verdächtigt wurden, Kommunisten zu sein.

John Rittmeister
John Rittmeister

Edith Jacobsohn selbst wurde am 24.10.35 verhaftet. Boehm und Müller-Braunschweig verfassten ein Gutachten, um Jacobsohn zu retten. Dann fürchteten sie, dass ihre Solidarität mit ihr die DPG gefährden könnte und forderten es, allerdings erfolglos, wieder zurück.
Die DPG forderte nun von ihren Mitgliedern, dass keine politisch engagierten Patienten behandelt werden durften. Politisches Engagement wurde als, die Gruppe gefährdende, Illoyalität betrachtet. Edith Jacobsohn gelang eine abenteuerliche Flucht über Prag nach New York. Mitte der 50er Jahre  wurde sie Vorsitzende der ‚New York Psychoanalytic Society’ und gilt heute als führende Theoretikerin und Klinikerin der nach-freudianischen amerikanischen Psychoanalyse.
Käthe Dräger übernahm nach einer Verhaftungswelle im Februar 1937 die Leitung des Berliner Komitees der Kommunistischen Partei Deutschlands, Opposition (KPDO) der theoretisch wichtigsten und politisch bedeutsamsten Dissidentenströmung gegen die KPD. Sie verfasste und verteilte antifaschistische Schriften und Flugblätter und unterstützte die Familien verurteilter Genossen. John Rittmeister, 1937 zur Ausreise aus der Schweiz "wegen kommunistischer Umtriebe" genötigt, Leiter der Poliklinik des DI, schloss sich 1941 der Widerstandsgruppe um Harro Schultze-Boysen, der sog. Roten Kapelle an. Am 26.9.1942 wurde er inhaftiert und am 13.05.1943 hingerichtet.

Im ‚Deutschen Institut für psychologische Forschung und Psychotherapie’ (DI) waren alle Psychotherapeuten - nicht nur die psychoanalytischen Ursprungs - unter nationalsozialistischer Prämisse zwangsorganisiert. Es hatte sich die Entwicklung einer "Deutschen Seelenheilkunde" als eklektisches Gemisch aus den verschiedenen psychotherapeutischen Richtungen zur Aufgabe gemacht. Von den 148 Institutsmitgliedern waren 63 in der NSDAP. Von den 42, die der DPG  (‚Arbeitsgruppe A’) zugeordnet wurden (dazu gehörten auch die Überreste der Wiener Gruppe) waren, laut Kartei des DI nur zwei Mitglieder in der NSDAP. Als wohletablierte Institution von der Deutschen Arbeitsfront, der Luftwaffe, Privatkassen finanziert, während des Krieges als "kriegswichtig" hervorgehoben und schließlich zum ‚Reichsinstitut im Reichsforschungsrat’ erhoben, stießen die Darstellungen der Zeitzeugen, die von einer "Rettung der Psychoanalyse" durch ein “Katakombendasein“ berichteten, nach dem Krieg bei ihren im Ausland lebenden Kollegen auf Unverständnis und Kritik.

Mit der Besetzung Österreichs 1938 wurde Carl Müller-Braunschweig, stellvertretender DPG-Vorsitzender, mit einer treuhänderischen Überführung der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung und des Psychoanalytischen Verlags in das DI beauftragt. Er musste seinen Auftrag niederlegen, weil die nationalsozialistischen Behörden ihm - nach einer tröstende Geste Anna Freud gegenüber - misstrauten. Nach der folgenden Auflösung der DPG (19.11.1938) konnte sie lediglich als ‚Arbeitsgruppe A’ im Rahmen des DIs weiterexistieren. Obwohl Boehm und Müller- Braunschweig offiziell weiter mit dem Verbot, Lehranalysen durchzuführen und Seminare abzuhalten belegt wurden, hatten beide wichtige und gut bezahlte Funktionen in der Poliklinik, der Arbeitsgruppe Homosexualität (Boehm) und der Lehrplangestaltung (Müller-Braunschweig) inne.

Bei der Eroberung Berlins durch die Russen versuchte Göring das Institut in der Keithstraße 41, das als Lazarett getarnt war, durch die SS verteidigen zu lassen. Daraufhin brannten die Russen es nieder und nahmen Göring gefangen.

Bilanz

Die Stationen der Geschichte der Deutschen Psychoanalytischen Gesellschaft während der NS-Zeit ist nur als systematischer Prozess der Paralysierung zu kennzeichnen:

  • Der Vorstand der DPG schaltete sich selbst im Sinne der nationalsozialistischen Verordnungen gleich.
  • Die „arischen“ Psychoanalytiker verzichteten auf die Metapsychologie .
  • Sie gaben eine Identifikation mit ihrem gewählten Vorsitzenden (Eitingon) auf.
  • Sie bedrängten die Mehrzahl der Mitglieder die Gesellschaft zu verlassen.
  • Sie distanzierten sich nachdrücklich von der politischen, vor allem der kommunistischen Opposition.
  • Die Gruppe tauschte ihre Autonomie gegen eine staatlich abgesicherte „Analyse“ und den erzwungenen Zusammenschluss mit anderen therapeutischen Richtungen ein.
  • Staatliche Vorschriften wurden die gestaltenden Parameter für die Beziehung zur IPV.

Die in Deutschland verbliebenen Psychoanalytiker zogen politisches Agieren einer schweigenden Zurückhaltung vor. Damit versuchten sie vor allem die formale Existenz der DPG, die Fortsetzung psychoanalytischer Behandlungen und eine, auf nationaler psychoanalytischer Identität beruhenden Institutionalisierung zu erwirken. Die hier systematisch ausgehöhlte Form hatte schließlich nichts mehr gemein mit dem überaus narzisstisch besetzten alten ‚Berliner Psychoanalytischen Institut’.
Von Seiten der Nationalsozialisten hatte ein merkwürdiger Verschränkungsprozess eingesetzt: die Psychoanalytiker freudscher Prägung - also Boehm, Müller-Braunschweig, Schultz-Hencke und Kemper, die alle keine Parteimitglieder waren, galten als die kompetentesten Lehrer und Therapeuten. Obwohl die führenden DPG-Vertreter keine Lehranalysen durchführen durften, waren doch M. H. Görings Sohn Ernst und Görings Frau bei Psychoanalytikern in Analyse. Sogar Hermann Göring suchte heimlich Schultz-Hencke auf, um sich von ihm beraten zu lassen. Das DI wurde 1942 zum ‚Reichsinstitut im Reichsforschungsrat’ ernannt und großzügig im Rahmen des (Hermann-) Göringschen 4-Jahresplanes subventioniert.

Rein technokratisch, unter rassistischen autoritären Vorzeichen, hatte es in der Zeit des Nationalsozialismus durchaus einen Professionalisierungsschub für Psychotherapie gegeben, von dem die Psychoanalytiker profitierten.

Die Nachkriegszeit

Eine Fülle von Neugründungen mit wechselnden Namen, sich verändernden Konstellationen und vielen personellen Überschneidungen macht die Nachkriegssituation zunächst unübersichtlich.
Der erste Gründung, das ‚Institut für Psychopathologie und Psychotherapie’ (Kemper, Schultz-Hencke) diente als erste Anlaufstelle für versprengte Kollegen und Patienten. Am 01.03.1946 wurde es als ‚Zentralinstitut für psychogene Erkrankungen der VAB’ von der Versicherungsanstalt Berlin übernommen  und diente vor allem therapeutischen Zwecken.

Am 16.10.1945 gründeten die Berliner DPG-Mitglieder, die ihre Gesellschaft 1938 hatten auflösen müssen, unter Leitung von C. Müller-Braunschweig ihre Gesellschaft wieder, in der Vorstellung, dass sie ungehindert an den abgebrochenen Dialog mit der IPV würde anknüpfen können. 27 Mitglieder lebten in Berlin, 9 außerhalb. Am 29.04.1946 nahmen die Gesellschaft als ‚Berliner Psychoanalytische Gesellschaft’ mit der durch die Britische Militärverwal­tung verfügten Auflage den Zusatz ‚Zweigvereinigung der Internationalen Psychoanalytischen Vereinigung’ zu streichen, ihre Tätigkeit wieder auf.

Am 09.05.1947 wurde das ‚Institut für Psychotherapie’ (IfP) in Berlin als Ausbildungsinstitut mit Dozenten der jungianischen, der neoanalytischen und der freudianischen Richtung gegründet5.
Während Werner Kemper vor allem die berufspolitische Weichenstellung vornahm, fochten C. Müller-Braunschweig (der DPG-Vorsitzende) und H. Schultz-Hencke6  um die Dominanz der klassischen Psychoanalyse oder der Neoanalyse. Müller-Braunschweig trug die Kontroverse in den ersten IPV-Kongress nach dem Krieg, 1949, in Zürich und die öffentliche Konfrontation zwischen H. Schultz-Henckes neoanalytischer Auffassung und seiner klassisch freudianischer Position führte zu einer nur vorläufigen Aufnahme der DPG in die IPV mit der Auflage ihrer Standortbestimmung. Müller-Braunschweig machte keine offiziellen Anstalten, Schultz-Hencke aus der DPG auszuschließen, gründete aber am 10.06.1950, heimliche, die ‚Deutsche Psychoanalytische Vereinigung’ (DPV). Am 22.09.1950  wurde der DPV die Aufnahme in die IPV, auf dem Amsterdamer Kongress (1951) zugesichert.

Am 03.12.1950 trat Müller-Braunschweig mit einer Gruppe von 8 Mitglieder aus der DPG aus. Den Vorsitz übernahm wieder Felix Boehm. In dieser Sitzung wurde ebenfalls die von der alliierten Kommandantur erlassene Anordnung über die Beschränkung der Vereinstätigkeit in Berlin aufgehoben und die ‚Berliner Psychoanalytische Vereinigung e.V.’ durfte sich nun wieder ‚Deutsche Psychoanalytische Gesellschaft’ (DPG) nennen. 14 DPG-Mitglieder bleiben zurück.

Zwei psychoanalytische Gesellschaften: die Deutsche Psychoanalytische Gesellschaft (DPG) und die Deutsche Psychoanalytische Vereinigung (DPV)

Die Aufnahme der DPV in die IPV auf dem Amsterdamer Kongress von 1951 führte zu einer tiefen Entfremdung zwischen beiden Gesellschaften, da die DPG nicht wieder aufgenommen wurde und ihre provisorische Mitgliedschaft erlosch. In den Augen der internationalen Öffentlichkeit galt nun die DPG als „Nazigesellschaft“. Felix Boehm, protestierte dagegen. Heinz Hartmann, der IPV-Präsident, bestätigte den Ausschluss der DPG, ließ aber die Möglichkeit durchblicken, die IPV-Mitgliedschaft der DPG nach entsprechender Prüfung  erneut zu verhandeln. Anna Freud unterstützte dieses Vorgehen.
Eine international verankerte DPV stand nun dem lokalen Machtblock DPG gegenüber, der das ‚Institut für Psychotherapie’ und das ‚Zentralinstitut für psychogene Erkrankungen bei der Versicherungsanstalt Berlin’ zugeschrieben wurde. Eine gewisse Klammer zwischen beiden Gesellschaften bot die 1949 (von Wilhelm Bitter) gegründete ‚Deutsche Gesellschaft für Psychoanalyse, Psychotherapie, Psychosomatik und Tiefenpsychologie’7 als Dachorganisation für alle tiefenpsychologischen Richtungen (DPV, DPG, Jungianer und Adlerianer) mit berufspolitischer Orientierung. Der Vorsitzende gehört turnusmäßig einer der vertretenen Gruppen an.
Auf Anregung von W. Schwidder schloss sich die DPG 1962 mit anderen neoanalytischen Gruppen zur ‚Internationalen Föderation Psychoanalytischer Gesellschaften’ (IFPS) zusammen. Die Gesellschaft sollte den Rahmen für einen freien wissenschaftlichen Austausch undogmatischer Psychoanalytiker – vor allem zwischen Europa und Amerika bieten, ohne Ausbildungsfunktionen zu übernehmen, oder sich in regionale Belange einzumischen.


Außerhalb Berlins entstanden von DPV und DPG Arbeitsgruppen und stationäre psychotherapeutische Einrichtungen in München8, Stuttgart9, Heidelberg10, Bremen11 und Göttingen12, später in allen größeren Städten der Bundesrepublik. Das alte Berliner Zentrum verlor – vor allem nach dem Bau der Berliner Mauer - zugunsten des an die Universität angeschlossenen, 1960 gegründeten Frankfurter psychoanalytischen Instituts13 an Bedeutung. Alexander Mitscherlich und Margarete Mit­scherlich-Nielsen nahmen nicht nur die alte Verbindung zum ‚Institut für Sozial­forschung’ (M. Horkheimer, T. Adorno) wieder auf, sondern förderten sowohl den Dialog mit der internationalen psychoanalytischen Öffentlichkeit als auch die Auseinandersetzung um die nationalsozialistische Vergangenheit. Über die Rezeption der Kritischen Theorie in der Studentenbewegung verbrei­terte sich das Interesse an gesellschaftspolitischen Themen, an Gruppen- und Familien­therapie (H.E. Richter, F.Heigl, A. Heigl-Evers) und auch die Frauenbewegung fand in Psychoanalytikerinnen Bündnispartnerinnen (C. Rhode-Dachser).

Die Auseinandersetzung mit der Geschichte

Alexander und Margarete Mitscherlichs Konfrontation der Deutschen mit den Folgen des Nationalsozialismus in den ersten Nachkriegsjahren prägte die Diktion und das Denken einer ganzen Generation. Anfang der 80er Jahre verbreiterte sich der Strom an Publikationen zur Geschichte der Psychoanalyse während des NS-Regimes und erhielt seinen wesentlichen Impuls durch den IPV-Kongress in Hamburg von 1985. Neben dem „historischen“ Aufarbeitungsstrang  entstanden Arbeiten zur Deutung der Geschichte. Als Folge dieses Prozesses trafen sich seit Mitte der 90er Jahre mehrfach deutsche und israelische Psychoanalyti­ker zu Gruppenkonferenzen (zunächst nur in Israel). Dieses Modell der Leister-Konferenz fand auch Anwendung auf einen Dialog zwischen DPG und DPV zur "Teilung der psychoanalytischen Gemeinschaft in Deutschland und ihren Folgen".

Psychoanalyse an den Universitäten

An den Universitäten war Psychoanalyse nach 1945 zunächst in der Prüfungsordnung für Psychologen als  ‚Tiefenpsychologie und Psychagogik’ repräsentiert. Mit der Studienreform (1973) durch den um Testverfahren, Prävention, Rehabilitation, Beratung, Supervision und anderen nicht-tiefenpsychologischen Richtungen erweiterten Bereich ‚Klinische Psychologie’ wurde sie ersetzt. Medizinische Psychologie und Soziologie sowie Psychotherapie und Psychosomatik waren ab 1970 Pflichtprüfungsfächer für Medizinstudenten, mit entsprechenden Lehrstühlen bzw. Abteilungen an den Universitäten. Einerseits verschwand die Psychoanalyse zunehmend von den Hochschulen und wanderte in Lehrinstitute und die psychosomatischen Abteilungen der Medizinischen Hochschulen ab, andererseits war (1977) die Psychoanalyse, die in der Experimentalpsycho­ogie meistuntersuchte, systematische psychologische Theorie. Seit 1979 wurde die Bereichsbezeichnung „Psychoanalyse“ neben „Psychotherapie“ eingeführt und in die Weiterbildungsordnung (WBO) für Ärzte eingeführt. Anfang der 90iger Jahre entstand eine Muster-WBO für Fachärzte für  "Psychotherapeutische Medizin", "Psychiatrie und Psychotherapie" und "Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie". 

Angeregt u.a. durch die Kritische Theorie der Frankfurter Schule und durch die Lacan-Rezeption (Anfang der 80iger Jahre) öffneten sich sowohl Literatur- als auch Kulturwissenschaften psychoanalytischen Gedankengängen.

Psychoanalyse als Kassenleistung

Die Geschichte der Psychoanalyse als Kassenleistung geht bis in die 20iger Jahre zurück: Auf dem 5. Internationalen Psychoanalytischen Kongress in Budapest (28. u. 29.09.1918) hatte bereits Sigmund Freud als Sozialpolitiker gesprochen und gesellschaftliche Verantwortung für Patienten gefordert, die sich eine psychoanalytische Behandlung nicht leisten konnten – auch wenn das „reine Gold der Analyse“ dann legiert werden müsse. Max Eitingon übernahm als Mäzen diese Verantwortung durch die Gründung und Finanzierung der ersten Psychoanalytischen Poliklinik. Ca. 2/3 der Patienten waren minderbemittelt und wurden unentgeltlich behandelt. Die durchschnittliche Behandlungsdauer betrug ca. 200 Stunden (bei 4-5 Wochenstunden à 45 Min.). Obwohl der Druck wartender Patienten auf der Poliklinik lastete, wurden Kurztherapien als "verfehlt" verworfen. Als abrechenbare Ziffer in der Preußischen Gebührenordnung fand sich „Psychoanalyse“14 seit dem 01.09.1924 – und wurde mit wenigen Stunden und geringem Honorar (Psychologen bekamen 3 RM, Ärzte 5 RM) vergütet.

Der Professionalisierungsschub unter rassistischen Vorzeichen zur Zeit des Nationalsozialismus ermöglichte -  gegen die Ärztekammer - nichtärztlichen „behandelnden Psychologen“ die Abrechnung psychotherapeutischer Behandlungen bei Ersatzkassenmitgliedern. Als juristische Grundlage galt der „Göring-Erlass“. Grundsätzlich wurden nicht nur zwischen 3 und 10 Sitzungen bewilligt, sondern bis zu 100 und mehr Behandlungsstunden – in Abstimmung zwischen Kemper, dem Leiter der Poliklinik, und den Krankenkassen. Trotz anfänglichen Sträubens der Kassen setzte der Institutsleiter M. H. Göring die Selbstbeteiligung der Patienten durch. Jugendliche, ihre Entwicklung und ihre Störungen wurden zu dem am höchsten subventionierten Untersuchungsgegenstand.

An diese Professionalisierungsentwicklung anknüpfend gründeten Kemper und Schultz-Hencke das erste von der Versicherungsanstalt Berlin (VAB) finanzierte ‚Zentralinstituts für psychogene Erkrankungen der Versicherungsanstalt Berlin’ (01.03.1946). Das ZI blieb als Einrichtung der AOK bis heute erhalten. Die gesetzliche Verankerung der psychotherapeutischen Versorgung wurde entscheidend durch die empirischen Katamneseuntersuchungen von F. Baumeyer u. A. Dührssen ermöglicht. Durch verschiedene von Patienten geführte und von der psychotherapeutischen Dachgesellschaft, der DGPT, unterstützte Prozesse, konnte 1967 tiefenpsycho­logisch fundierte und analytische Psychotherapie in die allgemeine kasse­närztliche Versorgung als Bestandteil der Gebührenordnung für Ärzte nach Begutachtung der Indikation eingeführt werden, dies führte in den folgenden Jahren zu einer weiteren Verankerung der Psychoanalyse in die Gesundheitsversorgung.

Seit 1999 ist die Bezeichnung "Psychotherapeut" geschützt. Das Psychotherapeutengesetz legt fest, dass sich nur derjenige "Psychotherapeut" nennen darf, der eine "Approbation" besitzt, also über die staatliche Erlaubnis verfügt, diesen "Heilberuf" auszuüben. Nun können auch approbierte Diplom-Psychologen und für Kinder - und Jugendliche approbierte Diplom-Pädagogen oder approbierte Diplom-Sozialarbeiter ohne die Delegation eines Arztes direkt mit der Kassenärztlichen Vereinigung abrechnen.

Wichtigste Publikationsorgane und Theorietrends

Die Zeitschrift ‚Psyche’ folgte anfangs einer allgemeinen tiefenpsychologischen Orientierung. Inzwischen nimmt sie sowohl kulturtheoretische als auch historische und klinische Themen auf. Das ‚Jahrbuch der Psychoanalyse, Beiträge zur Theorie, Praxis und Geschichte der Psychoanalyse’, das ‚Forum der Psychoanalyse’ und die ‚Zeitschrift für psychoanalytische Theorie und Praxis’ sind eher klinisch ausgerichtet; ebenso die ‚Praxis der Psychotherapie und Psychosomatik’ und schließlich die ‚Zeitschrift für psychosoma­tische Medizin und Psychoanalyse’.

DPG und DPV trennende Theoriepositionen sind bis Ende der 60iger Jahre durch die Fokussierung der DPG auf die Neoanalyse Schultz-Henckes gekennzeichnet. Dann begann auch die DPG sich der internationalen Rezeption von Ich- und Selbstpsychologie sowie der Objektbeziehungstheorie zu öffnen und die klassische freudiani­sche Position aufzuwerten. Sowohl in der DPV als auch in der DPG, wuchs seit Ende der 80iger Jahre das Inter­esse an der Kleinianischen Psychoanalyse und ihrer Weiterentwicklung. Supervision wurde vor allem in England, im Umfeld der ‚Middle Group’ gesucht. Während sich in der Theorie­rezeption von DPG und DPV kein Unterschied zeigt, führt die unter­schiedliche Psychoanalytikersozialisation (z.B. DPV 4-stündige Lehranalyse, DPG 3-stündige) zu unterschiedlichen Tendenzen in der Praxis. Seit der Aufnahme der DPG in die IPV sind in der DPG beide Ausbildungsformen präsent.

Zur Beziehungsgeschichte von DPV und DPG

Eine gemeinsame Kommission von DPG und DPV hat am 29.02.2008 ihre Arbeit an der Rekonstruktion ihrer Beziehungsgeschichte mit folgender Resolution, die als Ausgangspunkt Eitingons Abschiedsbrief von 1933 gewählt hat, begonnen:

"Wir sind dankbar für die berührenden Worte, mit denen Max Eitingon Abschied aus der Deutschen Psychoanalytischen Gesellschaft genommen hat.  Sie verbinden auch heute noch beide psychoanalytische Fachgesellschaften miteinander. So können wir gemeinsam den Verlust einer kontinuierlichen psychoanalytischen Kultur betrauern.
Indem die Deutsche Psychoanalytische Vereinigung und die Deutsche Psychoanalytische Gesellschaft ihre gemeinsame Geschichte von der Gründung der Berliner Psychoanalytischen Vereinigung (Aug. 1908) an bis zur Gründung der Deutschen Psychoanalytischen Vereinigung und dem Auszug ihrer Gründungsmitglieder aus der Deutsche Psychoanalytische Gesellschaft  (Dez. 1950) anerkennen, wird es auch möglich werden, sich ihrer konflikthaften Beziehungsgeschichte nach 1950 mit Respekt und Offenheit zuzuwenden."

Berlin, den 28.06.2008

Erinnerungstafeln für Psychoanalytiker in Berlin

Zur Erinnerung an Persönlichkeiten, die die Entwicklung unserer Gesellschaft geprägt haben, hängen in Berlin 20 Gedenktafeln. Die Sponsoren der Tafeln waren Psychoanalytiker der unterschiedlichsten Richtungen und Freunde der Psychoanalyse.

Namen und Standorte

GRADIVA (Statue) Kurfürstenstr. 115/116
Karl Abraham Rankestr. 24
Franz Alexander Ludwigkirchstr. 9a
Siegfried Bernfeld Pariserstr. 18a
Berliner Psychoanalytisches  Institut Potsdamer Str. 74
Max Eitingon Rauchstr. 4 und Altensteinstr. 26
Otto Fenichel Württembergische Str. 33
Marie (Mitzi) Freud Ansbacherstr. 6
Erich Fromm Bayrischer Platz 1
Karen Horney Sophie-Charlottestr. 15
Edith Jacobson Emserstr. 39d
Melanie Klein Augsburgerstr. 23
Sándor Radó Ilmenauerstr. 2
Wilhelm und Annie Reich Schlangenbader Str. 87
Theodor Reik Reichenhallerstr.1
Hanns Sachs Mommsenstr.7
Ernst Simmel Eichenallee 23 (Westend)
René Spitz Taubertstr. 7


GEDENKTAFELN für  Analytische Psychologie in Berlin:

Ernst Bernhard    Meierottostr. 7
Erich und Julie Neumann Pariserstr. 4
Sabina Spielrein Thomasiusstr. 2

 

1 Neben der Poliklinik gehörten Lehrwesen, Unterrichtsausschuss, Kassenführung und Stipendienfond
   zu den Funktionen des Instituts.


2 Er war auch Mitbegründer des Sozialdemokratischen Ärztevereins und der Allgemeinen Ärztlichen Gesellschaft
   f. Psychotherapie und gründete die erste psychoanalytische Klinik in Deutschland, das „Sanatorium Schloss Tegel.


3  in ‚Psychoanalytisches Institut’ und die ‚Poliklinik und Lehranstalt’ in ‚Ambulatorium’ und Lehranstalt.

4 Anna Freud an Jones, 10.03.1936, Brit. A, zit. nach Lockot, R. (1994), Die Reinigung der Psychoanalyse, S.47

5 seit 1948 wurde an dem Institut auch Psychagogen ausgebildet (Erziehungsbetreuer, heute analytische Kinder- und
   Jugendlichentherapeuten).


6 C. Müller-Braunschweig war nicht-Arzt und DPG-Vorsitzender und Schultz-Hencke Arzt, Vorsitzender des Instituts
   für Psychopathologie und Psychotherapie und Gründer der Neoanalytischen Gesellschaft (am 07.11.1945).


7 Der Gründungsname (07.08.1949) der Gesellschaft war ‚Deutsche Gesellschaft für Psychotherapie und
   Tiefenpsychologie’.  Auf Beschluss der außerordentlichen Mitgliederversammlung vom 02.02.1975 in Gießen wurde
   sie in ‚Deutsche Gesellschaft für Psychotherapie, Psychosomatik und Tiefenpsychologie’ umbenannt.
   Zum 40-jährigen Bestehen (06. bis 08.10.1989), in Darmstadt, wurde der Name in Deutsche Gesellschaft
   für Psychoanalyse Psychotherapie, Psychosomatik und Tiefenpsychologie (DGPT) geändert.

8 als "Nachfolger" des "Reichsinstituts" und der psychosomatischen Ambulanz (J. Cremerius).

9 1946 entstand eine Arbeitsgruppe,1948 wurde das ‚Institut für Psychotherapie und Tiefenpsychologie’ mit dem
   Konzept der Synopse aller tiefenpsychologischer Richtungen (W. Bitter, H. Gundert u. F. Schottlaender) gegründet.

10 in der psychosomatischen Abteilung (A. Mitscherlich).

11 durch H. Buder, 1949; 1951 Institutsgründung mit R.W. Schulte u. R. Haarstrick.

12 im Landeskrankenhaus Tiefenbrunn, (G. Kühnel u. W. Schwidder).

13 das ‚Institut und Ausbildungszentrum für Psychoanalyse und psychosomatische Medizin’,
    seit 1964 Sigmund-Freud-Institut.

14 Unter ‚Psychoanalyse’ verstand man damals noch nicht ein klar definiertes Verfahren.

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